" kein-kampfhund " - Wie konntest Du nur?
Wie konntest Du nur?
 
Übersetzt aus dem Amerikanischen
 
von
Elvira Rösch & Nicole
Valentin-Willis
 
Als ich noch ein Welpe war, unterhielt ich Dich mit meinen
Possen und brachte Dich zum Lachen. Du nanntest mich Dein
Kind, und trotz einer Anzahl durchgekauter Schuhe und so
manchem abgeschlachteten Sofakissen wurde ich Dein bester
Freund. Immer wenn ich "böse" war, erhobst Du Deinen Finger
und fragtest mich "Wie konntest Du nur?" - aber dann gabst Du
nach und drehtest mich auf den Rücken,
um mir den Bauch zu kraulen.
 
Mit meiner Stubenreinheit dauerte es ein bisschen länger als
erwartet, denn Du warst furchtbar beschäftigt, aber zusammen
bekamen wir das in den Griff. Ich erinnere mich an jene
Nächte, in denen ich mich im Bett an Dich kuschelte und Du mir
Deine Geheimnisse und Träume anvertrautest, und ich glaubte,
das Leben könnte nicht schöner sein. Gemeinsam machten wir
lange Spaziergänge im Park, drehten Runden mit dem Auto,
holten uns Eis (ich bekam immer nur die Waffel, denn "Eiskrem
ist schlecht für Hunde", sagtest Du), und ich döste
stundenlang in der Sonne, während ich auf Deine abendliche
Rückkehr wartete.
 
Allmählich fingst Du an, mehr Zeit mit Arbeit und Deiner
Karriere zu verbringen - und auch damit, Dir einen
menschlichen Gefährten zu suchen. Ich wartete geduldig auf
Dich, tröstete Dich über Liebeskummer und Enttäuschungen
hinweg, tadelte Dich niemals wegen schlechter Entscheidungen
und überschlug mich vor Freude, wenn Du heimkamst und als Du
Dich verliebtest. Sie, jetzt Deine Frau, ist kein "Hundemensch" -
trotzdem hieß ich sie in unserem Heim willkommen, versuchte ihr meine
Zuneigung zu zeigen und gehorchte ihr. Ich war glücklich, weil
Du glücklich warst. Dann kamen die Menschenbabies, und ich
teilte Deine Aufregung darüber. Ich war fasziniert von ihrer
rosa Haut und ihrem Geruch und wollte sie genauso bemuttern.
Nur dass Du und Deine Frau Angst hattet, ich könnte ihnen
wehtun, und so verbrachte ich die meiste Zeit verbannt in einem
anderen Zimmer oder in meiner Hütte. Oh, wie sehr wollte
auch ich sie lieben, aber ich wurde zu einem
 "Gefangenen der Liebe".
 
Als sie aber grösser waren, wurde ich ihr Freund. Sie krallten
sich in meinem Fell fest, zogen sich daran hoch auf wackligen
Beinchen, pieksten ihre Finger in meine Augen, inspizierten
meine Ohren und gaben mir Küsse auf die Nase. Ich liebte alles
an ihnen und ihre Berührung - denn Deine Berührung war jetzt
so selten geworden - und ich hätte sie mit meinem Leben
verteidigt, wenn es nötig gewesen wäre.
 
Ich kroch heimlich in ihre Betten, hörte ihren Sorgen und
Träumen zu, und gemeinsam warteten wir auf das Geräusch Deines
Wagens in der Auffahrt. Es gab einmal eine Zeit, da zogst Du
auf die Frage, ob Du einen Hund hättest, ein Foto von mir aus
der Brieftasche und erzähltest Geschichten über mich. In den
letzten Jahren hast Du nur noch mit "Ja" geantwortet und das
Thema gewechselt. Ich hatte mich von "Deinem Hund" in "nur
einen Hund" verwandelt, und jede Ausgabe für mich wurde Dir
zum Dorn im Auge.
 
Jetzt hast Du eine neue Berufsmöglichkeit in einer anderen
Stadt, und Du und sie werdet in eine Wohnung ziehen, in der
Haustiere nicht gestattet sind. Du hast die richtige Wahl für
"Deine" Familie getroffen, aber es gab einmal eine Zeit, da
war ich Deine einzige Familie.
 
Ich freute mich über die Autofahrt, bis wir amTierheim
ankamen. Es roch nachHunden und Katzen, nach Angst, nach
Hoffnungslosigkeit.
 
Du fülltest die Formulare aus und sagtest "Ich weiss, Sie werden
ein gutes Zuhause für sie finden". Mit einem Achselzucken
warfen sie Dir einen gequälten Blick zu. Sie wissen, was
einen Hund oder eine Katze in "mittleren" Jahren erwartet - auch mit
"Stammbaum". Du musstest Deinem Sohn jeden Finger einzeln vom
Halsband lösen, als er schrie "Nein, Papa, bitte! Sie dürfen
mir meinen Hund nicht wegnehmen!" Und ich machte mir Sorgen um
ihn und um die Lektionen, die Du ihm gerade beigebracht
hattest: über Freundschaft und Loyalität, über Liebe und
Verantwortung, und über Respekt vor allem Leben. Zum Abschied
hast Du mir den Kopf getätschelt, meine Augen vermieden und
höflich auf das Halsband und die Leine verzichtet. Du hattest
einen Termin einzuhalten, und nun habe ich auch einen.
 
Nachdem Du fort warst, sagten die beiden netten Damen, Du
hättest wahrscheinlich schon seit Monaten von dem
bevorstehenden Umzug gewusst und nichts unternommen, um ein
gutes Zuhause für mich zu finden. Sie schüttelten den Kopf und
fragten "Wie konntest Du nur?".
 
Sie kümmern sich um uns hier im Tierheim so gut es eben geht.
Natürlich werden wir gefüttert, aber ich habe meinen Appetit
schon vor Tagen verloren. Anfangs rannte ich immer vor ans
Gitter, sobald jemand an meinen Käfig kam, in der Hoffnung,
das seiest Du - dass Du Deine Meinung geändert hättest - dass
all dies nur ein schlimmer Traum gewesen sei... oder ich
hoffte, dass es zumindest jemand wäre, der Interesse an mir
hätte und mich retten könnte. Als ich einsah, dass ich nichts
aufzubieten hatte gegen das vergnügte
Um-Aufmerksamkeit-Heischen unbeschwerter Welpen, ahnungslos
gegenüber ihrem eigenen Schicksal, zog ich mich in eine ferne
Ecke zurück und wartete.
 
 
Ich hörte ihre Schritte als sie am Ende des Tages kam, um mich
zu holen, und trottete hinter ihr her den Gang entlang zu
einem abgelegenen Raum. Ein angenehm ruhiger Raum. Sie hob
mich auf den Tisch und kraulte meine Ohren und sagte mir, es
sei alles in Ordnung. Mein Herz pochte vor Aufregung, was
jetzt wohl geschehen würde, aber da war auch ein Gefühl
der Erleichterung. Für den Gefangenen der Liebe war die Zeit
abgelaufen. Meiner Natur gemäss war ich aber eher um sie
besorgt. Ihre Aufgabe lastet schwer auf ihr, und das fühlte
ich, genauso wie ich jede Deiner Stimmungen erfühlen konnte.
 
Behutsam legte sie den Stauschlauch an meiner Vorderpfote an,
während eine Träne über ihre Wange floss. Ich leckte ihre
Hand, um sie zu trösten, genauso wie ich Dich vor vielen
Jahren getröstet hatte. Mit geübtem Griff führte sie die Nadel
in meine Vene ein. Als ich den Einstich fühlte und spürte, wie
die kühle Flüssigkeit durch meinen Körper lief, wurde ich
schläfrig und legte mich hin, blickte in ihre gütigen Augen
und flüsterte "Wie konntest Du nur?"
 
Vielleicht verstand sie die Hundesprache und sagte deshalb "Es
tut mir ja so leid".
 
Sie umarmte mich und beeilte sich mir zu erklären, es sei ihre
Aufgabe dafür zu sorgen, dass ich bald an einem besseren Ort
wäre, wo ich weder ignoriert noch missbraucht noch ausgesetzt
werden könnte oder auf mich alleine gestellt wäre - einem Ort
der Liebe und des Lichts, vollkommen anders als dieser
irdische Ort. Und mit meiner letzten Kraft versuchte ich ihr
mit einem Klopfen meines Schwanzes zu verstehen zu geben, dass
mein "Wie konntest Du nur?" nicht ihr galt. Du warst es, mein
geliebtes Herrchen, an den ich dachte. Ich werde für immer an
Dich denken und auf Dich warten.
 
 
Möge Dir ein jeder in Deinem Leben so viel Loyalität zeigen.
 
In Zusammenarbeit mit:
 
Ruth Singer
 

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